Chemische Desinfektion ist unverzichtbar aber mit gesundheitlichen und ökologischen Gefahren verbunden
Die WIDES Datenbank – ein Instrument zur Substitution
Stoffbewertung
Produktbewertung
WIDES- Features im Überblick

Chemische Desinfektion ist unverzichtbar aber mit gesundheitlichen und ökologischen Gefahren verbunden

Unter Desinfektion versteht man Maßnahmen zur Ausschaltung vermehrungsfähiger und krankmachender Erreger und zur Unterbrechung von Infektionsketten. Eine Desinfektion kann durch Hitze oder Strahlen erfolgen (physikalische bzw. thermische Desinfektion) oder durch chemische Wirkstoffe (chemische Desinfektion). Chemische Desinfektionsmittel lösen Bestandteile von Erregern auf oder hemmen deren Stoffwechsel. Ihr routinemäßiger Einsatz in hygienischen Risikobereichen ist für den ausreichenden Schutz vor Infektionen unerlässlich. Desinfektionsmittel werden an den unterschiedlichsten Stellen eingesetzt, wie z.B. für Arbeitsflächen, Bodenbeläge, Mobiliar, medizinische Geräte und nicht zuletzt zur Desinfektion der Hände und der Haut. Neben der beabsichtigten und erwünschten Wirkung führt die Anwendung von Desinfektionsmitteln zu gewissen Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt. Diese Risiken beruhen auf stoffinhärenten Eigenschaften und werden gemäß der CLP-Verordnung als Einstufungen ausgewiesen.

Einstufung von Gefahrstoffen

Die CLP-Verordnung 1272/2008[1] basiert auf einem Global Harmonisierten System (GHS) und dient der Einstufung und Kennzeichnung von Gefahrstoffen. Einstufung bedeutet, dass einem Stoff oder einem Produkt Gefahrenmerkmale wie etwa entzündlich, giftig, ätzend etc. auf Basis von Untersuchungen oder Erfahrungen zugeordnet werden. Für mehr als 4.000 Stoffe ist die Einstufung harmonisiert. Harmonisiert bedeutet, dass sie im Anhang VI der CLP-Verordnung angeführt wird und innerhalb der EU verbindlich ist. Die Einstufungskriterien der CLP-Verordnung decken derzeit nicht alle gefährlichen Eigenschaften ab, so etwa nicht eine mögliche endokrine Wirksamkeit.

Eine für die Europäische Kommission erstellte Studie[2] weist aus, dass von 105 bioziden Wirkstoffen mit harmonisierter Einstufung 36 giftig oder sehr giftig, 30 Wirkstoffe haut- oder atemwegsensibilisierend, 24 Wirkstoffe ätzend, 16 Wirkstoffe kanzerogen, mutagen oder reproduktionstoxisch, 6 chronisch toxisch und 51 Stoffe sehr giftig für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung sind. Laut Studie finden sich außerdem 7 Wirkstoffe auf der EU Liste für Stoffe mit möglicher endokriner Wirksamkeit – Kategorie 1. Dies belegt, dass biozide Wirkstoffe – und diese bilden die Basis von Desinfektionsmitteln – in einem erheblichen Ausmaß gesundheitsgefährdende Arbeitsstoffe und/oder umweltgefährlich sind. Um das Risiko einer Desinfektionsmittelanwendung möglichst gering zu halten, bieten sich folgende Möglichkeiten: i) Optimierung der Anwendungsmenge; ii) Verminderung oder Vermeidung einer Exposition; iii) Verminderung oder Vermeidung gefährlicher Arbeitsstoffe. Schulungen des Personals über die bestimmungsgemäße Anwendung (Einhaltung von Dosierangaben und ordnungsgemäße Entsorgung) und über die Vorgaben des Arbeitsschutzes (Schutzkleidung, Handschuhe, Absaugung usw.) können Risiken für Mensch und Umwelt zwar senken, aber niemals ausschalten, denn eine Restexposition von Mensch (z.B. über die Atemwege) und Umwelt bleibt auch bei Einhaltung aller Vorschriften bestehen. Zudem zeigt die Alltagserfahrung, dass Unfälle sowie Fehler in der Anwendung und bei Sicherheitsvorschriften vorkommen. Zum Beispiel weisen Handschuhe nicht selten Undichtkeiten auf. Deshalb ist es die mit Abstand sicherste und eleganteste Methode, auf den Einsatz von allergenen, mutagenen, fruchtschädigenden, kanzerogenen oder hoch umweltgiftigen Stoffen von vorne herein so weit als möglich zu verzichten. Die Verminderung oder Vermeidung von gefährlichen Arbeitsstoffen kann mit Recht als die Königs-Maßnahme zur Risikominderung bei der Desinfektionsmittelanwendung angesehen werden. Die Auswahl ausreichend wirksamer Produkte für den konkreten Anwendungsfall bei gleichzeitiger Minimierung gefährlicher Inhaltsstoffe erleichtert die WIDES Datenbank.

Die WIDES Datenbank – ein Instrument zur Substitution

Die WIDES Datenbank (Wiener Desinfektionsmittel-Datenbank) wurde von der Wiener Stadtverwaltung als ein anwenderfreundliches Informationssystem, welches die Gefährdungspotentiale von kommerziell erhältlichen Desinfektionsmitteln analysiert und transparent darstellt, entwickelt. Sie ermöglicht Hygiene- und Beschaffungsverantwortlichen in Bereichen des Gesundheitswesens, Produkte mit einem Mausklick zu vergleichen und jene Desinfektionsmittel auszuwählen, welche für das Personal, PatientInnen und die Umwelt die geringsten Risiken bergen – ein Vorgang, der auch „Substitution“ genannt wird. Die WIDES wurde in Zusammenarbeit mit internationalen ExpertInnen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes entwickelt. Das Technische Büro Klade hat an dieser Entwicklung wesentlichen Anteil und erstellt oder überarbeitet Dateneinträge, Stoffbewertungen sowie das Bewertungsschema als solches. Das Bewertungsschema der WIDES besteht aus der Stoffbewertung und der Produktbewertung. Die folgenden Abschnitte, die dem Dokument „Einführung in das Bewertungsraster“ entnommen sind und welches von der WIDES webpage (https://www.wien.gv.at [3]) heruntergeladen werden kann, sollen die Grundprinzipien der Bewertungsmethode erläutern.

Stoffbewertung

In der WIDES werden die umwelt- und gesundheitsschädlichen Wirkungen von Stoffen bewertet. Gemäß CLP-Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 werden derartige Gefährdungen durch Einstufungen in Form von Gefahrenhinweisen (H-Statements) beschrieben. Die WIDES Bewertung ermittelt und übersetzt stoffspezifische H-Statements in Bewertungszahlen (BZ). Die Bewertungskriterien legen fest, wie die H-Statements in Bewertungszahlen „übersetzt“ werden. Den Bewertungszahlen ist ein Farbcode zugeordnet um auf diese Weise das Gefährdungspotenzial in Farbabstufungen von hellgelb bis dunkelrot anzuzeigen. Abbildung 1 zeigt die Zuordnung der H-Statements zu den Gefährdungskategorien bzw. den Bewertungszahlen.

Abbildung 1

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Bewertung von mikrobiziden Wirkstoffen und gefährlichen Inhaltsstoffen
Mikrobizide Wirkstoffe und andere gefährliche Inhaltsstoffe werden in allen sechs Gefährdungskategorien bewertet. Jeder Gefährdungskategorie wird diejenige Bewertungszahl zugeordnet, die sich vom gefährlichsten H-Statement ableitet. Um Gefährdungspotenziale auszuschließen geht die WIDES Bewertung über die Einstufung hinaus und führt eine Datenrecherche durch. Eine solche ist erforderlich da die Abwesenheit von H-Statements nicht ausreicht um ein entsprechendes Gefährdungspotenzial auszuschließen und Einstufungen nicht notwendigerweise auf einen vollständigen Datensatz basieren. Daher bedarf es (zusätzlicher) Angaben aus REACH Registrierungsdossiers, Sicherheitsdatenblättern, Evaluierungsberichten oder Stoffdatenbanken um den Ausschluss eines Gefährdungspotenzials zu rechtfertigen. Wenn aber eine solche Schlussfolgerung auf Grund unzureichender oder widersprüchlicher Daten nicht möglich ist, dann wird dieser Umstand in der Bewertung durch ein Fragezeichen („?“) angezeigt. Abbildung 2 zeigt die Bewertungs- und Ausschlusskriterien angewendet auf den mikrobiziden Wirkstoff Glutaraldehyd. Gemäß den Angaben im REACH Registrierungsdossier ist der Wirkstoff gut untersucht und in Hinblick auf mögliche CMR und chronisch toxische Eigenschaften nicht einzustufen – daher wird dieser Gefährdungskategorie die Bewertungszahl 1 zugeordnet. Allen übrigen Gefährdungskategorien werden Bewertungszahlen auf Basis von H-Statements bzw. einer Kombination von H-Statements zugeordnet.

Abbildung 2

Stoff: Glutaraldehyde (CAS 111-30-8); Beabsichtigte Verwendung: mikrobizider Wirkstoff; Einstufung: H290; H301; Skin Corr.1B, H314; H317; H318; H331; H334; H400; H411; Datenquelle der Einstufung: REACH Registrierungsdossier

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*…. WIDES Daten (download am 28.08.2015)

Bewertung von Tensiden
Die Bewertung von Tensiden ohne mikrobizide Wirksamkeit sieht eine vereinfachte Vorgangsweise vor: Dabei wird a priori angenommen das Tenside kein sensibilisierendes, kanzerogenes, mutagenes, reproduktionstoxisches, chronisch toxisches oder umweltbezogenes Gefährdungspotenzial aufweisen es sei denn sie sind entsprechend eingestuft. Liegt jedoch keine Einstufung vor, dann werden diese Gefährdungskategorien nicht bewertet und dieser Umstand durch ein weißes Feld mit dem Eintrag „n.b.“ (für: nicht bewertet) angezeigt. Zusätzlich wird postuliert das Tenside in Hinblick auf ihr akuttoxisches und reizendes Gefährdungspotenzial vollständig untersucht sind. Liegt also in den Gefährdungskategorien Akute Toxizität (Atemwege) sowie Reiz-, Ätzwirkung keine Einstufung vor, dann wird diesen die Bewertungszahl 1 zugeordnet. Ein Fragezeichen nur dann vergeben, wenn es Grund gibt ein solches Gefährdungspotenzial anzunehmen.

Abbildung 3

Stoff: Alcohols, C12-14, ethers with polyethylene glycol mono-Bu ether (CAS 147993-63-3); Beabsichtigte Verwendung: Tensid; Einstufung: H315, H400; Datenquelle der Einstufung: C&L inventory database – Alcohols, C12-14, ethers with polyethylene glycol mono-Bu ether /mehrheitliche Einstufung (http://echa.europa.eu; Download: 14.12.2014]

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*…. WIDES Daten download: 28. August 2015

Produktbewertung

Das eigentliche Ziel ist die Bewertung von Produkten, dafür ist die Bewertung von Wirk- und Inhaltsstoffen nur eine notwendige Voraussetzung. Das zentrale Element der Produktbewertung ist eine logarithmische Skalierung der Bewertungszahlen verbunden mit einer Gewichtung mit dem Stoffanteil. Logarithmische Skalierung bedeutet, dass mit der Bewertungszahl als Exponent des dekadischen Logarithmus nach der Formel 10BZ ein Gefährdungsfaktor berechnet wird. Gewichtung mit dem Stoffanteil bedeutet dass der Gefährdungsfaktor mit dem Stoffanteil des Inhaltsstoffes multipliziert wird. Abbildung 4 verdeutlicht diesen Rechenalgorithmus welcher für jeden Inhaltstoff einschließlich Wasser durchgeführt wird: Das Desinfektionsmittel enthält Wirkstoff A mit einem sehr hohen Gefährdungspotenzial (BZ 5) in einer Konzentration von 0,1 %. Außerdem enthält das Mittel Wirkstoff B mit einem geringen Gefährdungspotenzial (BZ 2) in einer Konzentration von 10 %. Die logarithmische Skalierung erzeugt für die Stoffbewertungszahl 5 den Gefährdungsfaktor 100000, für die Stoffbewertungszahl 2 den Gefährdungsfaktor 100 und für die Stoffbewertungszahl 1 den Gefährdungsfaktor 10. Der Gefährdungsfaktor wird mit dem Stoffanteil multipliziert und die Ergebnisse summiert. Die Summe von 119 ist ein Maß für das Gefährdungspotenzial des Desinfektionsmittels in der Gefährdungskategorie Akute Giftigkeit (Atemwege). Das Ergebnis wird entlogarithmiert um einen für die Erstellung eines Farbcodes handlicheren Zahlenwert zu erhalten. Der Farbcode wird benötigt um die Produktbewertung in Form von Farbfeldern darzustellen. Diese Darstellungsform wurde gewählt da mit Farben die auf vereinfachende Annahmen zurückzuführende Unschärfe in der Bewertung besser vermittelt werden kann.

Abbildung 4

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Bedeutung von Fragezeichen
Ist einem Inhaltsstoff ein Fragezeichen zugeordnet weil dieser in der jeweiligen Gefährdungskategorie nicht bewertet werden kann (siehe dazu den Abschnitt Stoffbewertung) dann wird das Fragezeichen in das Farbfeld integriert und so der Hinweis auf Unsicherheiten oder Lücken bei der Datenlage in die Produktbewertung übernommen.

Abbildung 5

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Gewichtung mit dem Dampfdruck
Die WIDES Bewertung berücksichtigt mit den vom Dampfdruck abgeleiteten Korrekturfaktoren Fhum und Föko den jeweiligen Expositionspfad. Mit Fhum wird berücksichtigt, dass flüchtige Stoffe am Ort der Anwendung verdampfen und dabei inhaliert werden können. Der Faktor gewichtet daher solche Stoffe in der Gefährdungskategorie Akute Giftigkeit (Atemwege) höher. Der Faktor Föko berücksichtigt, dass nicht flüchtige Stoffe in die Kanalisation, in Kläranlagen und schließlich auch in Oberflächengewässer gelangen können. Daher gewichtet Föko solche Stoffe in den Gefährdungskategorien Verhalten in Kläranlagen und Verhalten in Oberflächengewässern höher.

Abbildung 6

DB-Abb6

Wir wenden dieses Konzept auf das in Abbildung 4 angeführte Beispiel an und nehmen an, dass Wirkstoff A einen geringen Dampfdruck von 0,01 hPa und Wirkstoff B einen verhältnismäßigen hohen Dampfdruck von 260 hPa aufweist. Die Gewichtung mit Fhum verringert dann in der Gefährdungskategorie Akute Giftigkeit (Atemwege) die Produktbewertungszahl von 2,1 auf 1,7.

Abbildung 7

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Die Gefährdungskategorien Sensibilisierung, Reiz-, Ätzwirkung sowie CMR & chronisch-toxische Eigenschaften werden aus folgenden Gründen nicht mit Korrekturfaktoren gewichtet: i) In der Gefährdungskategorie Sensibilisierung ist die Exposition bereits angemessen berücksichtigt (d.h. die Atemwegssensibilisierung wird strenger bewertet als die Hautsensibilisierung); ii) Bei den Gefährdungskategorien Reiz-, Ätzwirkung sowie CMR & chronisch-toxische Eigenschaften findet sich kein Zusammenhang zwischen dem Gefährdungspotenzial und dem Dampfdruck.

Anwendungslösungen
Eine Anwendungslösung ist die Verdünnung eines Konzentrates (Handelsprodukt). Die Verdünnung des Handelsproduktes ist erforderlich um eine beabsichtigte mikrobizide Wirkung zu erreichen bzw. zu gewährleisten und wird vom Hersteller vorgegeben. Es macht daher keinen Sinn Konzentrate miteinander zu vergleichen wenn die Anwendungslösungen unterschiedliche Mengen an Konzentrat erfordern. Für solche Fälle sieht die WIDES Bewertung einen Rechenschritt zur Berücksichtigung solcher Verdünnungen vor. Das bedeutet, dass für den Fall einer Anwendung ohne Verdünnung (z.B. für Fläche-Schnelldesinfektion oder Händedesinfektion) die WIDES Bewertung Konzentrate vergleicht, für den Fall einer Verdünnung aber immer die verdünnten Anwendungslösungen. Wir nehmen an, dass ein Handelsprodukt (Konzentrat) mit 10 % Wirkstoff A mit einem hohen Gefährdungspotenzial und 10% Wirkstoff B mit einem geringen Gefährdungspotenzial für die Anwendung Fläche-Wischdesinfektion mit Wasser verdünnt wird (Abbildung 8). Der Hersteller gibt an, dass die Anwendungslösung eine 1% ige Verdünnung des Konzentrates in Wasser ist. Demnach beträgt der Gehalt von Wirkstoff A und B in der Anwendungslösung 0,1% (Abbildung 9). Die Berechnung der Produktbewertungszahl für die Anwendungslösung ergibt den Zahlenwert 1,6. Dieser Zahlenwert kann nur mit Ergebnissen für Anwendungslösungen verglichen werden aber nicht mit Konzentraten.

Abbildung 8

DB-Abb8

Abbildung 9

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Berechnung der Entzündlichkeit
Etwa ein Drittel der in der WIDES gelisteten Produkte werden als Konzentrate für die Fläche-Schnelldesinfektion, die chirurgische und hygienische Händedesinfektion und die Hautantiseptik angewendet. Die überwiegende Mehrzahl dieser Produkte ist als entzündlich eingestuft und enthält oft Alkohole in unterschiedlicher Konzentration. Bei Produkten in den genannten Anwendungsbereichen wird das entsprechende Gefährdungspotenzial in der Gefährdungskategorie Entzündlichkeit bewertet. Im Unterschied zur Bewertung der Gesundheits- und Umweltgefahren sind dabei ausschließlich die Produkte selbst Gegenstand eines zweistufigen Verfahrens:

  • In einem ersten Schritt wird aus der Einstufung eine Basisbewertungszahl abgeleitet.
  • In einem zweiten Schritt werden Zu- oder Abschläge zur Basisbewertungszahl berechnet.

Basisbewertungszahl, Zu- oder Abschläge werden addiert und ergeben die Bewertungszahl Entzündlichkeit. Für die Basisbewertung werden die H-Statements bzw. R-Sätze des Produktes herangezogen, für die Berechnung der Zu- oder Abschläge geprüfte Produkteigenschaften wie Zündtemperatur, Flammpunkt, untere Explosionsgrenze und Explosionsbereich. Die Zu- oder Abschläge modulieren die Basisgefährdung indem etwa eine hohe Zündtemperatur (>300°C) das Gefährdungspotenzial zusätzlich steigert und eine niedrige (< 200°C) dieses mindert. Abbildung 10 zeigt ein Bewertungsbeispiel für ein Produkt bestehend aus 26% Ethanol und 45% 1-Propanol.

Abbildung 10

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WIDES Features im Überblick

Die Funktionalitäten der WIDES Datenbank[4] sind über die Module Inhaltstoffe bzw. Produkte zugänglich. Der Modul Inhaltstoffe listet über 200 Inhaltstoffe von Desinfektionsmitteln, inklusive publizierten chemisch-physikalischen Daten, human- und ökotoxikologischen Testergebnissen und H-Statements zur Beschreibung gefährlicher Eigenschaften. Die Inhaltsstoffe sind entsprechend den im Abschnitt Stoffbewertung beschriebenen Regeln bewertet. Stoffbewertungen können entweder für jeden Stoff einzeln oder als Übersichtsliste abgefragt werden (Abbildung 11).

Abbildung 11

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Der Modul Produkte enthält mehr als 200 Handelsprodukte zur hygienischen Händewaschung, Händedesinfektion, Hautantiseptik, Flächen-, Instrumenten-, Geschirr- und Wäschedesinfektion, deren Wirksamkeit von unabhängigen Institutionen überprüft wurde und deren Sicherheits- und Produktdatenblätter definierte Qualitätskriterien erfüllen. Die Produkte sind entsprechend den im Abschnitt Produktbewertung beschriebenen Regeln bewertet, nach denen alle Inhaltsstoffe mit gefährlichen Eigenschaften in ihrer spezifischen Konzentration berücksichtigt werden. Die Bewertung eines Produktes kann nicht einzeln abgefragt werden sondern nur zusammen mit anderen Produkten. Dazu sind vorweg die Kriterien Anwendungsbereich, Anwendungsform, Einwirkzeit und Wirkungsspektrum zu spezifizieren. Die WIDES liefert dabei kein Produktranking, sondern reiht die Produkte lediglich in alphabetischer Reihenfolge. Diese Liste kann von den NutzerInnen selbst nachbearbeitet werden, indem diese per Mausklick eine einzelne Gefährdungskategorie auswählen und so ein Ranking generieren.

Abbildung 12

DB-Abb12
Die WIDES Datenbank geht über standardisierte Kennzeichnungs-Vorschriften hinaus
Um das Gefährdungspotential von Desinfektionsmitteln zu vergleichen, sind Anwender- und BeschafferInnen auf die Produktkennzeichnung (nach den Regeln der CLP-Verordnung) und auf die Angaben in den Sicherheitsdatenblättern der Hersteller angewiesen. Unserer Meinung nach bieten diese aber nicht genügend Hilfestellung, um ein Desinfektionsmittel durch ein weniger gefährliches zu ersetzen bzw. sind diese Informationen für sich allein ein unzureichendes Instrument. Die WIDES-Datenbank leistet hier unter anderem auch aus folgenden Gründen eine wertvolle Unterstützung:

  • Die Kennzeichnungs- und Klassifizierungsvorschriften der CLP-Verordnung gelten nur ab definierten Konzentrationsschwellen. Ein im Produkt enthaltener sensibilisierender Stoff (mit Kategorie 1) muss unter einer Konzentration von 0,1% am Etikett oder im Sicherheitsdatenblatt nicht mehr ausgewiesen werden. Das Produkt selbst muss erst ab einer Konzentration von 1% als sensibilisierend gekennzeichnet sein. In der WIDES Datenbank werden hingegen auch Stoffkonzentrationen unter 0,1% bei der Bewertung berücksichtigt.
  • Viele Desinfektionsmittel werden als Konzentrate vertrieben. Hier gibt das Sicherheitsdatenblatt nur Auskunft über die Eigenschaften des Konzentrates und enthält keine konkreten Angaben zu den Gefährdungspotentialen der unterschiedlich verdünnten Gebrauchslösungen. Die WIDES berücksichtigt jedoch bei der Bewertung den jeweiligen Verdünnungsvorgang und vergleicht nicht die Konzentrate, sondern die gemäß Expertisenverzeichnis verdünnten Anwendungslösungen miteinander.
  • Enthält die Rezeptur Duftstoffe, die nach der Kosmetikverordnung als allergen ausgewiesen sind, wird dies in der Wirkkategorie Sensibilisierung, allergenes Potenzial mit einem Fragezeichen angezeigt. In der WIDES ist ersichtlich, welche Produkte von den Herstellern als duftstofffrei ausgewiesen sind bzw. welche ohne weitere Angabe parfümiert sind.

Derzeit wird daran gearbeitet, die WIDES Datenbank mit Funktionen auszustatten die eine Hilfestellung beim Einkauf (der Beschaffung) von Desinfektionsmitteln bieten.

[1] http://echa.europa.eu/web/guest/regulations/clp

[2] European Commission – Environment Directorate-General: Assessment of different options to address risks from the use phase of biocides. March 2009. Final report.

[3] https://www.wien.gv.at/umweltschutz/oekokauf/desinfektionsmittel

[4] https://www.wien.gv.at/umweltschutz/oekokauf/desinfektionsmittel